Geiergedicht
Unter Geiern
© Stefan Pölt
Lars, ein nicht ganz schwindelfreier,
tölpelhafter Nachwuchsgeier
kreist, dann wird ihm übel.
Mehrmals schon in seinem Leben
musste er sich übergeben
und hing überm Kübel.
Selbst für Geier ist er hässlich,
noch dazu immens vergesslich,
insgesamt ein Loser.
Kommt er auf den Wanderwegen
seiner Kolonie entgegen,
wirkt er noch konfuser.
Gestern noch, in weitem Bogen,
hat sich Lars total verflogen,
wegen seiner Augen,
die – und das ist jammerschade –
dank der Kurzsicht nicht gerade
gut zum Fliegen taugen.
Auf dem Rückflug, kurz vorm Landen,
knallte er, weil die da standen,
gegen zwei Kakteen.
Leider scheint der Wüstenkaktus,
aus (das ist der casus knacktus)
Dornen zu bestehen.
Selbst auf breiten Landetrassen
musste Lars schon Federn lassen,
sehr zur Freude aller.
Dann vergleichen Artgenossen
seinen Stil mit Albatrossen:
„Lars, du bist der Knaller!“
Ihm bleibt selber nicht verborgen,
dass sich seine Eltern Sorgen
um den Jungen machen,
doch er kann die Alten trösten,
streckt den andern den entblößten
Arsch hin: „Lass sie lachen!“
„Schnell, hier kriechen Europäer …“,
kreischt von fern der Geierspäher,
„… schon auf allen Vieren!“
und sofort schwingt sich die Meute
in die Höhe, um die Beute
schnell zu inspizieren.
Lars jedoch kann das nicht locken,
er bleibt auf dem Boden hocken,
lässt die andren ziehen,
hat den Schnabel voll vom Kreisen
und zu engen Einflugschneisen
in den Kolonien.
Solln die Großen von Gedärmen,
Fleisch und Innereien schwärmen,
Lars bleibt vegetarisch
und begründet das, ihm seien
solche Leichenfleddereien
einfach zu barbarisch.
Nach dem ersten großen Fressen
ist der Schwarm infolgedessen
fürchterlich am Reihern,
denn das Futter war verdorben –
wohl an zu viel Koks gestorben.
Jetzt ist Lars am Geiern …
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